Aufgaben, die keiner sieht
Den Begriff Mental Load haben einige vielleicht schon gehört. Gemeint sind damit die unsichtbaren Koordination- und Planungsprozesse, die insbesondere bei der so genannten Care Arbeit, also Sorgearbeit, und durch das Organisieren von Alltagsaufgaben anfallen. Mental Load wird häufig im Zusammenhang von Familien und Mütter genannt, die viele unsichtbare Aufgaben und To-Do-Listen übernehmen was zu einer echten Belastungsprobe führen kann.
Mental Load bei der Arbeit
Als ich Anfang des Jahres zum ersten Mal von Mental Load las, dachte ich sofort: das kenne ich doch von der Arbeit. Denn ich finde, der Begriff Mental Load passt ebenfalls sehr gut auf die
Beschreibung eines beruflichen Phänomens: Damit meine ich die meist ungesehene mentale Belastung, die durch Zusatzaufgaben entsteht, die nicht in der Arbeitsbeschreibung stehen, sondern eher Teil
eines erweiterten, gefühlten Zuständigkeitsbereiches sind. Diese Aufgaben tragen oft das Siegel von „mal eben nebenbei“ machen und gehen nicht selten zu Lasten von Überstunden oder Freizeit.
Beispiele von Mental Load aus dem Arbeitskontext sind: das Mitdenken für die Kollegin, die gerne mal vergisst eine Tabelle zu aktualisieren, das Mitorganisieren eines Kollegen, der mit seiner schwierigen Arbeitsorganisation regelmäßig Termine vergisst oder auch Kontrollaufgaben, die zwar nicht im Prozess vorgesehen sind, aber die übernommen werden, weil es ohne diese Zusatzarbeit gelegentlich zu Problemen kommt.
Wie entstehen die zusätzlichen Aufgaben?
Der Kopf ist ohnehin voll von den täglichen Arbeitsaufgaben und die To-Do-Listen werden länger und länger. Aus meiner Erfahrung sind Punkte auf der Hidden Agenda nicht selten Themen, die darauf
abzielen andere bei der Arbeit zu unterstützen und diese angenehmer zu gestalten, wie z.B. ein Geschenk für die Kollegin zum Geburtstag besorgen, oder sich nach Feierabend ein Tutorial für das
neue Programm anschauen, um ein Problem zu lösen.
Das sind alles wichtige Aufgaben und tragen auch zur Verbesserung des Arbeitsklimas bei, aber genauso wichtig ist es, dass diese Last nicht auf den Schultern Einzelner ruht. Vielmehr ist es wie im privaten Kontext auch: wenn das System nicht ohne die Übernahme dieser Aufgaben funktioniert, ist das Teil der Arbeitsorganisation und nicht das Problem der Leid tragenden.
Auswirkungen
Ein hoher Mental Load wird als Druck oder Unruhe wahrgenommen und ist damit nur schwer fassbar. Für das allgemeine Stress- und Erschöpfungsempfinden am Arbeitsplatz kann das eine große Rolle
spielen.
Das gemeine am Mental Load ist, dass er unsichtbar ist. Das heißt Kollegen und Vorgesetzte merken unter Umständen gar nicht um was ihr euch alles kümmert - Denn es läuft ja. Erklärungen, was
genau ansprengend ist, stoßen im schlimmsten Fall auf Unverständnis. Umso wichtiger ist es sich mit seiner eigenen Rolle und den Ansprüchen an sich selbst auseinander zu setzen und den
persönlichen Mental Load sichtbar zu machen.
Was begünstigt Mental Load?
Auch die Persönlichkeit spielt bei dem Phänomen Mental Load eine Rolle. Denn nicht jede/r lässt es zu, dass sich die Listen munter füllen und das zusätzliche Aufgaben implizit übertragen werden.
Gerade, wenn man zu den Charakteren gehört, die von sich aus dazu neigen sich um andere zu kümmern, ist die Gefahr seine täglichen Aufgabenlisten mit Zusatzaufgaben zu füllen hoch.
Aber auch bestimmte Positionen im Unternehmen sind anfällig dafür Care Arbeit und Zusatzaufgaben zu generieren. Dazu zählen Führungspositionen und alle Schnittstellenpositionen, wie
beispielsweise Assistenzstellen oder - die Stütze jeder Firma - das Backoffice.
Ein typischer Gefahrträger sind auch weit gefächerte Aufgabengebiete und nicht klar umrissenen Tätigkeitsfelder. Auf der einen Seite bringen sie Freiheiten und viel Abwechslung, auf der anderen
Seite fällt es schwer die Grenze zu ziehen zwischen dem was noch in den Arbeitsbereich fällt und was nicht zu unterscheiden.
Mein Umgang mit Mental Load
Ich neige selber dazu versteckten Listen durch zusätzliche care Arbeit länger werden zu lassen. In den letzten Jahren ist es zum Glück deutlich besser geworden. Durch die Auseinandersetzung mit
meinen Bedürfnissen und meiner Arbeitseinstellung, dem setzen von Grenzen und der Neuorganisation meiner Arbeit. Natürlich erwische ich mich ab und zu dabei, wieder in die Falle zu tappen. Was
mir dann hilft ist die Distanzierung von dem Thema und ein langer Spaziergang als Belohnung für die gewonnene Zeit.
Wer das Phänomen kennt und sich unwohl dabei fühlt, sollte ins Handeln kommen. Denn Stress und Zeitdruck sind nicht nur unangenehm und langfristig gesundheitsschädlich, sondern halten uns auch
davon ab zufriedener durch Leben zu gehen.
Bei Fragen und Anregungen, schreibt mir gerne. Ich freue mich über den Austausch.